Titelthema

 Matthias Biebl
– KI-Berater und ein Mittler zwischen Mensch und Technik

Weisheit kommt ja bekanntlich mit dem Alter. Das menschliche Verhalten gibt immer wieder Anlass dazu, dieses Sprichwort infrage zu stellen. Für die Künstliche Intelligenz (KI) ist dies nicht der Fall. Von Beginn an, als Leute wie Alan Turing mit großen Träumen, kleinem Budget und schräger Technologie erste Gehversuche machten, entstand eine Begeisterung, die nicht mehr verflog. Sie wuchs mit der Verbesserung der Rechenleistung und Leistungsfähigkeit digitaler Netzwerke. Der letzte Entwicklungsschritt hat im Grunde jeglichen Bereich der Medienwirtschaft und somit auch der Mediennutzung beflügelt. Nun sind wir an dem Punkt angelangt, dass „die Maschinen“ lernen, verknüpfen und denken können. All das ist die Voraussetzung für Kommunikation. Es ist demnach auch wenig verwunderlich, dass viele disruptiven Ansätze auf der technischen Erfüllung menschlicher Kommunikationsbedürfnisse fußten. Der Buchdruck mit beweglichen Lettern, die Schrift, das Internet u. s. w. sind ein paar Beispiele dafür.


Aus diesem Grund haben wir auch mit einem Experten aus der Kommunikationsbranche den Austausch gesucht. Matthias Biebl hat einen fundierten Marketing- und Kommunikationsbackground aus Unternehmen und Agenturen. In seiner Zeit bei McDonald‘s hat er die digitale Kundenkommunikation im deutschsprachigen Raum revolutioniert. Kommunikationsinnovationen waren immer sein Ding, weswegen er auch die Kommunikationsagentur RLVNT gegründet hat und sich seit Ende des vergangenen Jahres auf die KI-Beratung konzentriert. Die Frage, die ihn antreibt, lautet: Wie können wir Unternehmen helfen, die Potenziale von KI zu heben und dadurch Freiräume für wesentlichen Dinge schaffen, die empathische Interaktion zwischen Menschen benötigen?

LEO: Wir haben Ende 2022 begonnen, uns intensiver mit den Einsatzmöglichkeiten von KI in unserem Unternehmen zu befassen und haben nach ersten Gehversuchen schnell Bereiche identifiziert, die von KI profitieren können. Wie sind Sie zur KI gekommen?

Biebl: Ich arbeite seit über 25 Jahren in der PR und habe viele Veränderungen in der Kommunikationsbranche miterlebt. Ende der 90er habe ich zum Thema Online-Journalismus geforscht und beobachtet, wie sich Printredaktionen von Online-Redaktionen unterscheiden. Anfang der 2000er war ich bei McDonald‘s Deutschland während der Anfänge von Social Media dabei. Die Einführung von Social Media hat unsere Kommunikationsarbeit grundlegend verändert. Generative KI und ihre Anwendungen sind das neueste Thema, das mein Interesse geweckt hat. Dabei war ich gar nicht so tief in dem Thema KI drin, ich bin auch kein Spezialist für das Thema Digitalisierung. Dass ich mich so auf dieses Thema gestürzt habe, das liegt sehr stark auch an meiner persönlichen Vita und an mir persönlich. Disruptive Innovationen haben mich immer schon fasziniert. Ich sehe mich als Mittler. Wie nutzen Sie KI?

LEO: In der Kommunikation nutzen wir vorrangig ChatGPT, beispielsweise um wiederkehrenden Texten einen neuen Dreh zu geben oder komplexere Inhalte zu vereinfachen. Wir haben auch Erfahrungen mit Recherchen mit ChatGPT, wobei in diesen Fällen immer ein Faktencheck notwendig ist. Das Tool erfindet auch mal plausible, aber unwahre Stories.

Biebl: Das berühmte Halluzinieren. Ich habe festgestellt, dass ChatGPT den Kontext einer Anfrage besser erkennt, wenn das Tool Feedback bekommt. So kann die KI lernen und Fehler korrigieren, genau wie wir Menschen. Mit der Zeit wird das weniger werden, und das Tool wird tatsächlich aus dem Kontext dann schon erkennen, was gemeint ist.

LEO: Sehr interessant! Von Social Media bei McDonald‘s zur KI-Kommunikationsberatung ist ja doch ein Weg. Wie ist das bei Ihnen persönlich gelaufen?

Biebl: In München war ich in der Verantwortung für die Unternehmenskommunikation von McDonald‘s Deutschland. Das war in den frühen 2000ern, damals ging es mit Social Media los. Wir haben uns bei uns in der Kommunikationsabteilung damals ausgetauscht und zum Beispiel die Berichte auf heise-online verfolgt. In den USA war damals eine Website (Facebook) sehr populär, und wir haben die Plattform für Deutschland dann irgendwann mal ausprobiert. Schnell kam die Frage, was wir als Firma mit Facebook tun. McDonald‘s war dann eines der ersten Unternehmen weltweit, das dann mit Facebook zusammen ein Firmenprofil ausprobiert hatte.

Und innerhalb von sehr kurzer Zeit hat sich bei uns der komplette Bereich dramatisch verändert. Ich hatte damals auch den Kundenservice mit in meiner Verantwortung. Wir haben ganz schnell festgestellt, dass unser ganz neues Social Media Team im Prinzip mit den gleichen Leuten kommuniziert wie unser Kundenservice Team.

Die waren aber untereinander gar nicht vernetzt und wussten gar nicht, wenn ein und derselbe Gast eine E-Mail geschrieben hat und dann auf Social Media irgendwas als Kommentar gepostet hat. Häufig haben Kunden so völlig unterschiedliche Antworten aus dem Unternehmen bekommen. Da mussten wir reagieren.

Und deswegen bin ich immer so, dass ich die Augen offen halte für Veränderungen. Und als dann das Thema generative KI so Ende vergangenen Jahres in der Masse langsam los ging, hatte ich das Ganze schon länger beobachtet. Und ich habe dann meine Erfahrungen in die Agentur eingebracht und so haben wir das Business Modell und die Art und Weise wie wir arbeiten massiv verändert.

LEO: Das klingt sehr einschneidend.

Biebl: In der Tat! Ich habe mich im Frühjahr am MIT eingeschrieben zu einem berufsbegleitenden Online-Studium künstliche Intelligenz. Das erste Modul habe ich jetzt abgeschlossen. Und jetzt geht es dann demnächst mit dem Thema Data Science weiter. So konnte ich überhaupt mal mit Leuten in Kontakt kommen, die da sozusagen im Herzen auch an diesem Thema arbeiten.

LEO: Haben Sie noch einen Tipp für uns für die praktische Arbeit? Etwas, was über ChatGPT hinausgeht?

Biebl: Ja, klar. Eines meiner Lieblingstools neben ChatGPT ist DeepL Write. Viele kennen DeepL als Übersetzungshilfe, mit dem neuen Tool DeepL Write lassen sich Texte sprachlich verbessern und lesbarer machen. Wir alle haben ja unsere Marotten, wenn wir Texte formulieren.

LEO: Das ist ja super, vielen Dank!
Eine letzte Frage: Wird KI irgendwann empathisch werden können?

Biebl: Ich glaube das tatsächlich. Also auch, wenn ich da noch kein klares Ja oder Nein geben kann. Tatsächlich erschließen wir uns die Welt zu großen Teilen über Sprache. So lernen wir, so werden wir auch in der Interaktion empathischer. Durch Lernen über Sprache. Wir formulieren auch Emotionen über die Sprache.

Ich glaube deshalb, dass wir an den Punkt kommen, wo auch Computer durch Simulieren empathische Kommunikation entwickeln werden. Heranwachsende lernen doch im Grunde auch durch Simulation. Wahrscheinlich werden Computer eine andere Form der empathischen Ausprägung entwickeln, aber ja: Ich glaube zumindest mal, dass über diese Sprache, die Verarbeitung von Feedback irgendwann mal der Punkt kommen wird, wo wir es durchaus auch mit empathischen Computern zu tun haben werden.

LEO: Das klingt sehr plausibel und ist auch ein fantastischer Schlussgedanke. Ich danke Ihnen für das Gespräch, lieber Herr Biebl.

Das Interview führte Ingo Buchholzer

zurück nach oben